Der Historiker Detlef Jena kratzt am Glanz der Königin Katharina
von Württemberg : Er enthüllte den wahren Grund für ihr
frühes Ableben
ROTENBERG - Königin Katharina von Württemberg gilt hier zu
Lande zu den Herrscherinnen, die nicht nur verehrt werden, die vielmehr
ein Mythos umgibt. Schön, edel und sehr sozial ist sie demnach
gewesen, die am 9. Januar 1819 als 33-Jährige gestorben ist und
ihre letzte Ruhe in der Grabkapelle auf dem Wirtemberg gefunden hat.
Unweit davon, in der Rotenberger Kelter, kratzte der Historiker Detlef
Jena am Freitagabend ein wenig am Mythos um die schöne Gemahlin
König Wilhelms.
Der Geschichtsforscher Jena aus Thüringen, dessen Biografie "Katharina
Pawlowna - Großfürstin von Russland, Königin von Württemberg"
2003 erschienen ist, erzählte daraus anlässlich des Kulturmonats
in der vollbesetzten Kelter.
Anlass
für den Thüringer, ausgerechnet im Leben der württembergischen
Herrscherin zu forschen, war deren Schwester Maria Pawlowna,
die als Großherzogin in Weimar erfolgreich wirkte, und zwar über
mehrere Jahrzehnte. Dennoch umgab sie nie ein Mythos wie ihre Schwester
Katharina. Warum? Dieser Frage ging der Historiker nach und fesselte
seine Zuhörer in einem zweistündigen Geschichtsunterricht.
Zweifellos seien der frühe Tod Katharina Pawlownas drei Jahre
nach der Hochzeit mit König Wilhelm sowie die von ihr geschaffenen
sozialen Einrichtungen Gründe für das Entstehen einer Lichtgestalt.
Auch die Umstände ihres Todes, angeblich aus Liebeskummer, tragen
dazu bei. Doch laut Autor Jena hat Katharina die Sozialleistungen -
Sparkasse, Katharinenhospital, Königin-Katharina-Stift, Uni Hohenheim
- nicht allein durchgesetzt, vielmehr waren sie mit dem Reformprogramm
ihres Gemahls abgestimmt. Da alle Einrichtungen noch heute bestehen,
sind sie noch immer ein praktisches, lebendes Beispiel einer Wohltäterin.
Dabei sei der Wille zur Macht die Triebfeder von Katharinas Ehrgeiz
gewesen. "Sie wollte Kaiserin werden um jeden Preis, das war ihr
Lebenstraum", stellte Geschichtsprofessor Jena fest. Er schilderte
die Monarchin und Enkelin Katharinas der Großen als klug, intelligent
und bildungsfähig, aber auch sprunghaft; mit Besserwisserei habe
sie sich zudem immer in den Vordergrund gedrängt.
Als
die Eheschließung mit König Wilhelm anstand, gab es mehr
Stimmen dagegen als dafür. Und die Entfremdung zwischen Russland
und Württemberg begann, als Katharina entschlossen, Wilhelm zu
heiraten, ist sich der Autor sicher. Wilhelm stand in dem Ruf, einer
der besten Feldherrn zu sein, dem man die Wiederherstellung eines "heiligen
deutschen Reiches" zutraute.
"Wilhelm und Katharina haben genau in diesem Punkt das Feld ihrer
Gemeinsamkeit gefunden - den Willen zur Macht", analysierte Detlef
Jena. Aus Württemberg heraus wollten sie die Fäden ins Deutsche
Reich spinnen und dort ihren Einfluss ausüben. "Für Katharina
bedeutete die Ehe mit Wilhelm, ihren Lebenstraum zu erfüllen, sprich,
irgendeine Kaiserkrone zu bekommen", so der Historiker. Die tatsÀ¤chlichen
Führungsmächte seinerzeit waren jedoch Österreich, Preußen
und Russland, wobei Katharina Pawlowna auch die Hoffnung gehegt habe,
als Kaiserin Katharina III. in Russland zu herrschen.
Bei aller Forschung bleiben für den Historiker gleichwohl einige
Fragen offen. Als schlichte Legende bezeichnete Jena die Umstände
um Katharinas Tod, den sie sich geholt habe, als sie am 4. Januar 1819
bei Eiseskälte allein in einer offenen Kutsche ins 15 Kilometer
entfernte Scharnhausen gefahren sei, um auf dem dortigen Gut ihren untreuen
Gatten aufzuspüren.
Zwei Stunden hat sich die Königin laut Legende dort aufgehalten,
ehe sie allein wieder zurück fuhr. Für die Richtigkeit dieser
Nachrichten gibt es laut Professor Jena "keine einzige glaubwürdige
Primärquelle". Vielmehr besagen Krankenbericht, Obduktionsbericht
und Hofdiarium anderes. Dem Hofjournal zufolge war Katharina das letzte
Mal am 30. Dezember 1803 in Scharnhausen. Überdies habe man in
der Literatur übersehen, dass die Monarchin, die bereits vier Kinder
hatte, schwanger war. Die Schwangerschaft sei nicht behandelt worden.
Am
3. Januar 1819, einem Tag mit Grippewetter, vermerkt der Gesundheits-
bericht, die Königin habe mit ihrem Mann einen Spaziergang unternommen
und sich dabei nasse Füße geholt. Noch am selben Abend bildeten
sich an ihrem Mund Bläschen; es war der Beginn der Gesichtsrose,
an der Katharina sechs Tage später starb. Dass die Gesichtsrose
aus Gram über die Untreue des Gemahls entstanden sein könnte,
bezweifelt der Historiker. Bis zu ihrem Tod hat König Wilhelm seine
Frau täglich besucht und es gab keine Anzeichen für Unstimmigkeiten
zwischen beiden. Ohnehin war es seinerzeit völlig normal, dass
Monarchen sich Mätressen hielten, erinnerte der Forscher auf Katharinas
Spuren. Und schließlich, so hat er herausgefunden, hat die stets
kränkliche Katharina Paplowna schon seit jeher Schindluder mit
ihrer Gesundheit getrieben. Auch von einer rätselhaften Erkrankung
ist die Rede, deren erste Anzeichen bei der Monarchin 1812 nach dem
Tod ihres ersten Ehemannes Georg auftraten. Damals erkrankte sie an
Starrsucht, was man "auch in die Nähe von Schizophrenie rücken"
könne, so Jena.
Aus dem Umfeld der Monarchin wusste der Historiker ebenfalls nichts
Positives zu berichten. Demnach stammte sie nicht aus einem liebenden
Elternhaus, vielmehr war die Familie Romanow in sich zerrissen, moralisch
korrupt und nicht sehr hochstehend. Als Katharina dreizehn Jahre alt
war, wurde ihr Vater Paul in der Festung Petersburg ermordet.
Stets sei man geneigt, über die Geschichte einen Glorienschein
zu legen, gab Detlef Jena den teilweise ernüchterten und ein wenig
enttäuschten Zuhörern zu bedenken. Gleichwohl bleibe Königin
Katharina von Württemberg eine tragische, in ihrer Zeit höchst
umstrittene und für die Nachwelt interessante Persönlichkeit.
Zeitgenossen wunderten sich über die junge Frau, die durch Rechthaberei
und Streitigkeiten hervorgetreten sei, dass sie schließlich eine
so große öffentliche Aufgabe meistern konnte. Für den
Historiker ist Katharinas Traum von der Kaiserkrone das gesamte Problem
ihres Lebens: "Das Verhältnis zwischen Anspruch und politischer
Wirklichkeit war bei ihr völlig unterentwickelt".
ihe
04.03.2004