Eine gemeinsame Rettungsleitstelle von Feuerwehr und Deutschem Rotem Kreuz soll Kosten sparen - Der Streit geht weiter
Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und die Feuerwehr in Stuttgart sollen ihre Rettungsleitstellen zusammenlegen. Das empfiehlt ein Gutachter, der vom Innenministerium und vom Sozialministerium Baden-Württemberg bestellt wurde. Aber das DRK sperrt sich.
Von Rüdiger Bäßler
Das Gutachten war nach andauernden Meinungsverschiedenheiten zwischen Feuerwehr und Rotem Kreuz um die integrierte Rettungsleitstelle im Jahr 2001 von den Ministerien bestellt worden. Wie nun das beauftragte Bonner Institut vorrechnet, könnten durch die Zusammenführung der bisher getrennten Leitstellen jährlich rund 100.000 Euro an Personal- und Technikkosten gespart werden. Der Zeitpunkt der Zusammenlegung sei günstig: Ohnehin müssten mittelfristig beide Leitstellen modernisiert werden, eine Zusammenlegung bringe noch einmal Einsparungen von einmalig 500.000 Euro.
Die Aufwendungen für die bisherigen beiden Leitstellen liegen derzeit bei jährlich rund 2,8 Millionen Euro. Die Auslastung des DRK beträgt laut Gutachten 92,6 Prozent, die der Feuerwehr lediglich 42,3 Prozent. Allerdings, so die Gutachter, komme es bei überdurchschnittlichen Spitzenbelastungen zu Qualitätseinbußen beim DRK. Auch deswegen wird die Zusammenlegung befürwortet. Für ganz Stuttgart soll es eines Tages nur noch eine einzige Notrufnummer für die Rettungsdienste geben: 112.
Die Amtschefs von Sozial- und Innenministerium, Bernhard Bauer und Max Munding, forderten in der gestrigen Presseerklärung, nun müsse "aus Wirtschaftlichkeitsgründen eine Zusammenführung ernsthaft verfolgt werden". Die Sprecherin des Sozialministeriums, Marion Deiß, ergänzte, die Ministerien hätten jedoch nicht die Absicht, auf Grundlage des Gutachtens Zwang auf die Beteiligten auszuüben. "Die Entscheidung muss vor Ort getroffen werden."
Nach einer Einigung sah es gestern nicht aus. Am Nachmittag verbreitete das Deutsche Rote Kreuz seinerseits eine Pressemitteilung. Die Empfehlung des Gutachters sei "nicht nachvollziehbar", erklärte darin der DRK-Kreisgeschäftsführer Frieder Frischling. Eine gemeinsame Notrufnummer 112 berge Gefahren. Komme es, zum Beispiel nach Unwettern, zu vielen technischen Hilfsanforderungen, könnten medizinische Notrufe blockiert werden - mit "verheerender Konsequenz". Zudem, so Frischling, schlage sich der vom Gutachter genannte Kostenvorteil nur bei der Leitstelle der Feuerwehr nieder. Das DRK hingegen biete in seiner Leitstelle schon jetzt "höchste Wirtschaftlichkeit".
Der Chef der Stuttgarter Berufsfeuerwehr, Frank Knödler, bestätigte, dass seine Leitstelle zur Zeit unwirtschaftlicher arbeite als beim DRK. Doch habe das Alarmsystem der Feuerwehr "eine hohe Qualität". Knödler: "Ich bin gottfroh, dass wir in Stuttgart so wenige Einsätze haben. Qualität heißt auch, einen Lagedienstführer zu haben und nicht ständig an der Kapazitätsgrenze zu arbeiten."
Der Feuerwehrchef zeigte sich überrascht vom öffentlichen Gegenstoß des Roten Kreuzes. "Jetzt gilt es doch erst einmal über das Gutachten nachzudenken und sich zusammen an einen Tisch zu setzen." Die weiter ablehnende Haltung des DRK könne er nicht verstehen. Er werde das Gutachten schnellstmöglich dem Verwaltungsausschuss des Gemeinderats vorstellen. Die Fraktionen wolle er drängen, "das Thema noch vor der Sommerpause zu behandeln". Knödler hofft nach eigenem Bekunden auf eine politische Entscheidung im Sinne der Gutachter, falls das Rote Kreuz bei seiner ablehnenden Haltung bleibe. Und er setzt auf die Kostenträger im Rettungsdienstausschuss des DRK, allen voran die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK). "In ganz Europa ist der Notruf 112 durch", wettert Knödler, "bloß nicht in Stuttgart."
Aktualisiert: 03.06.2003