Die Geschichte der kleinen Motorradfabrik UT, die
im Stuttgarter Vorort Untertürkheim 1922 beginnt
und 1962 endet, wird in einer ausführlichen Schilderung in "Motorrad
Chassis" Nr. 5/1989 mit dem treffenden Titel "Schwäbischer
Fleiß" erzählt. Sie wurde vom schwäbischen Tüftler
und Motorradrennfahrer Hermann Scheihing gegründet, und die Markenbezeichnung
UT ist schlicht die Abkürzung von Untertürkheim,
wo die Motorräder mit diesem Emblem am Tank zunächst entstanden.
Wenn
im vorliegenden Prospekt der beiden im Jahr 1951 angebotenen Modelle
die Fußnote sagt: "In vielen Rennschlachten erprobt und bewährt'',
so bezieht sich diese Feststellung auf die Zwischenkriegszeit, und die
genannten UT-Rennfahrer Max Kiemel aus Waldsee, Kurt Frentzen-Köln,
Otto Kohfink-Bietigheim und Rudi Gehrung-Stuttgart, errangen ihre Erfolge
auf UT-Maschinen überwiegend vor 1930, Kiemel tritt sogar 1929
als Deutscher Straßen-Meister der Klasse bis 350 ccm auf UT mit
JAP-Motor hervor.
Wenn ich nicht irre, war Otto Kohfink, ein weiterer auf allen Rennplätzen
bekannter und beliebter Schwabe, auch Deutscher Zementbahnmeister auf
UT, doch fehlen darüber heute, nach rund 60 Jahren, jegliche Aufzeichnungen.
Man kann jedoch unterstreichen, daß die Motorradmarke UT, die
schon 1925 von Untertürkheim nach Vaihingen zur Maschinenfabrik
Bergmüller & Co übersiedelte, in den 20er Jahren zu den
aktivsten und auch erfolgreichen in der Motorsportszene zählte.
Jener hier 1951 im Prospekt, der nurmehr
Motorradkonfektion der ersten Nachkriegsjahre zeigt, nachzulesende Hinweis
auf die große Sport-Vergangenheit hat also seine Begründung
und wurde deshalb von den UT-Herstellern nicht nur zu Recht, sondern
auch mit Stolz zitiert. Die nach dem Krieg in Stuttgart-Möhringen
beheimatete Motorradfabrik war zu diesem Zeitpunkt das einzige schwäbische
Unternehmen, das Motorräder mit den bewährten Einbaumotoren
von ILO aus Pinneberg bei Hamburg herstellte. Die anderen Konfektionäre,
meist Fahrradfabriken, waren im Raum um Bielefeld und Nürnberg
beheimatet.
Vorher
- seit der Gründung von UT - waren es Motoren der Marken JAP, Blackburne
und Küchen, die UT- Motorräder antrieben. Als nach 1933 keine
Devisen mehr für ausländische Motoren verfügbar waren,
kamen Bark-Motoren in die UT-Fahrgestelle, nachdem die Bestände
an JAP- und Blackburne-Aggregaten aufgebraucht waren, und nach dem Krieg
wechselte UT von Viertakt-Motoren zum Zweitakter von ILO. Es gab jedoch
schon einmal in der Gründerzeit einen eigenen UT- Zweitaktmotor
von 246 ccm Hubraum, der laut Tragatsch seine Abstammung vom Bekamo-Motor
nicht verleugnen konnte. Doch zurück zum Jahr 1951.
Die beiden im besprochenen Prospekt
gezeigten Modelle weisen immerhin für dieses Jahr sehr fortschrittliche
Konstruktionselemente auf, vor allem eine von UT selbst gefertigte Teleskopgabel
sowie eine Hinterradfederung, die von Jurisch-Nürnberg stammte
und hier (versehentlich), auf den Kopf gestellt, wiedergegeben wurde.
Das ist also eine zeitgenössische "Macke" dieses Druckwerks,
deret-wegen sich sicher kein Interessent vom Kauf abhalten ließ.
Da es sicher interessanter ist, noch weiter über die Geschichte
von UT auszuholen, als über hier Nachlesbares zu plaudern, sei
nachgeholt, daß die Fertigung der UT-Motorräder, schon 1930
von der Fa. Bergmüller & Co in Vaihingen übernommen, 1935
nach Möhringen übersiedelte und ab 1930 von den beiden seit
1919 bei Bergmüller beschäftigten Mitarbeitern Hugo Schwenk
und Johann Schnürle weitergeführt wurde. Darum hieß
die UT-Motorradfabrik ab 1930 im Untertitel Schwenk & Schnürle
K. G.
Was nicht im vorliegenden Prospekt zu sehen ist und den nächsten,
letzten konstruktiven Schritt von UT in die 50er Jahre darstellt, ist
das schon Anfang 1950 als Zeichnung vorliegende 250 ccm Zweizylinder
Modell. Das war ein geradezu sensationelles Motorrad, das Ende 1951
auf der ersten deutschen Motorradausstellung nach dem Krieg in Frankfurt
als Prototyp seine Premiere feierte. Die UT TS 250 war nämlich
das erste deutsche Motorrad, das eine Hinterradschwinge mit ölgedämpften
Federbeinen aufwies, eine Konstruktion von Jan Friedrich Drkosch, den
das Schicksal aus seiner böhmischen Heimat ins Schwabenland verschlagen
hatte.
Die zunächst noch mit 200 und 250 ccm Einzylinder-ILO-Motoren ausgerüsteten
Schwingrahmen-UT im Jahr 1952 bekamen 1953 dann noch stärkere Zweizylinder-Aggregate,
und der letzte technische "Schrei" war schließlich eine Langarmschwinge
am Vorderrad, ehe der Motorrad-Boom vorüber war, das Unternehmen
UT wieder schrumpfte und schließlich 1962 die letzten sechs Maschinen
nach Afrika geliefert wurden.
Dr. Kra. (Archiv-Verlag)