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Schutzbunkeranlagen in Stuttgart |
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Rolf Zielfleisch, Stuttgarter
Bunkerwelten ISBN-13: 978-3939502081 Gebundene
Ausgabe: 144 Seiten Verlag: Typoform-Verlag;
Auflage: 1., Aufl. (November 2006)
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Rolf Zielfleisch, Fast vergessene Bauwerke:
Luftschutz in Feuerbach vom Typoform-Verlag ( September
2005)
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Rolf Zielfleisch, Geheimnisse im Stuttgarter
Untergrund vom Typoform-Verlag, ISBN-13: 978-3939502081, (Gebundene
Ausgabe - August 2008, 132 Seiten)
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Bund will seine Bunkeranlagen
verkaufen |
31.08.2007 UNTERTüRKHEIMER ZEITUNG
UNTERTüRKHEIM: Nur das Bauwerk
in der Sattelstraße ist vollständig Bundeseigentum -
Anlage
erst letztes Jahr saniert
(dlp) -
Der Bund verabschiedet sich vom flächendeckenden
Schutzraumkonzept und will Bunker verkaufen.
In Stuttgart gibt es nach
Angaben des Bundesinnenministeriums zwei bundeseigene Schutzräume:
Den Hochbunker in der Talstraße und den in der Sattelstraße.
Das Grundstück in der Talstraße befindet sich laut Bundesinnenministerium
in städtischem Besitz, bleibt also der Betonkoloss in der Sattelstraße.
Noch ist nicht endgültig entschieden, ob die Bunker tatsächlich
verkauft werden.
Der Bund hat der Landeshauptstadt die Verwaltung seiner
Schutzbauten übertragen, die Stadt will beim Verkauf ein Wörtchen
mitreden. Derzeit erarbeitet das zuständige Liegenschaftsamt eine
Vorlage für die Bürgermeister-ebene. „Nach den Sommerferien
sollte darüber eine Entscheidung fallen“, sagt Olaf Harsch
vom Liegenschaftsamt, letztendlich sei ein Verkauf eine politische Entscheidung.
Ehemaliger
Hochbunker in Untertürkheim
an der Mercedesstraße
Foto: Hahn
Klar ist, die Bunker aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges und des Kalten
Krieges müssen aufwändig instand gehalten werden, die Kosten
trägt der Steuerzahler. Insgesamt gibt es in Stuttgart 46 Schutzbauten.
Die öffentlichen Schutzräume sind in der Regel für einen „Grundschutz“ ausgelegt,
der Sicherheit vor mechanischer Zerstörung und atomaren, chemischen
oder biologischen Kampfmitteln bieten soll.
Die Besitzverhältnisse
der Bunker sind teilweise verworren. Für den baulichen Unterhalt
jener Gebäude, die im Notfall für den Zivilschutz eingesetzt
werden können, stellt der Bund der Stadt in diesem Jahr rund 50.000
Euro zur Verfügung. Das Liegenschaftsamt wartet die Bunker regelmäßig,
etwa einmal im Monat.
Immer wieder fallen Reparaturen an, manchmal auch
größere. So waren bei dem noch für den Zivilschutz vorgesehenen
Bauwerk in der Untertürkheimer Sattelstraße im vergangenen
Jahr größere Instandhaltungs-arbeiten erforderlich, die rund
10.000 Euro verschlungen haben. Das Dach wurde mit Bitumen neu abgedeckt,
außerdem war der Anschluss an das Kanalnetz verstopft und die Dachrinnen
mussten erneuert werden. Nach außen hin erstrahlt der Betonklotz
in neuem, weißen Anstrich. Der Bunker ist jetzt gut in Schuss,
so Harsch, und für rund 600 Schutzplätze ausgelegt. Das Bauwerk
wird im Innern freigehalten und stünde im Katastrophenfall uneingeschränkt
zur Verfügung. Eine Sicherheitsfirma nutzt den Bunker gegenwärtig
als Kletterübungsanlage.
Nicht so gut in Schuss ist der Hochbunker
im Kirschenweg in Stuttgart-Wangen. Mit dem Abwasserabfluss gab es auch
dort Probleme. Im Jahre 2003 waren die Wurzeln der Pappeln in das Abwasserrohr
eingedrungen, für rund 4000 Euro wurde das Rohr aufgegraben und
erneuert. Der Bunker dient der Stadt als Altaktenlager und ist für
550 Schutzplätze
ausgelegt. Regelmäßig öffentlich zugänglich sind
in Stuttgart nur zwei Bunker in Feuerbach, der Winkelturm und der Tiefbunker.
Die nächste Führung des Vereins Schutzbauten Stuttgart ist
am 9. September 2007.
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Stockbetten unter dem Karl-Benz-Platz |
Untertürkheimer Zeitung
vom 2.11.2004
Untertürkheim:
Schutzbunker aus dem 2. Weltkrieg immer noch intakt -
Bei Bedarf Platz für 800 Menschen
Es ist ein Überbleibsel aus vergangenen Zeiten. Noch immer ist der Schutzraum unter dem Untertürkheimer Karl-Benz-Platz voll intakt. Ausgestattet mit Schlafzellen, Duschräumen und einem Belüftungssystem bietet der insgesamt 1500 Quadratmeter große Bunker im Bedarfsfall 800 Personen Schutz.
Eingang Karl-Benz-Platz - Stahltür - Aufenthaltraum/4-Stock-Betten - Fotos:Enslin
Von Alexander Müller
Viele Untertürkheimer wissen nichts von dem Bau, der sich unter dem Karl-Benz-Platz erstreckt. Die drei Eingänge sind mit waagrechten Gittern fest verschlossen. Nur einmal im Monat steigt Otto Müller von der Branddirektion Stuttgart mit seiner Gruppe vom Katastrophenschutz die 21 Stufen in die Tiefe, um einen Kontrollgang zu machen. "Wir testen die Funktion und machen kleinere Reparaturen", so Müller.
Der Haupteingang befindet sich direkt neben dem Aufgang zur Brücke ins Lindenschulviertel. Der Bau erstreckt sich von der Stadtbahnhaltestelle über den gesamten Vorplatz bis zur Auto-Unterführung in Richtung Ortskern. Lange Gänge führen ins Innere der Anlage. Der eigentliche Eingang ist leicht zu erkennen. Zwei dicke Stahltüren müssen nacheinander durchstiegen werden. "Diese Schleusen dienen der Sicherheit", sagt Müller. Denn die gesamte Anlage wird von einem eigenen Belüftungssystem gespeist. Die Ansaugrohre auf dem Platz ähneln gekrümmten Spazierstöcken. Die Luft ist vier bis fünf Meter unter der Erde stickig. "Schließlich werfen wir die Belüftung nur einmal im Monat zur Kontrolle an", erklärt Müller.
Lange Gänge prägen das Bild. Unzählige kleine Schlafzellen gehen von ihnen ab. Auf vier Stockbetten übereinander finden bis zu acht Personen in den sechs Quadratmeter großen Räumen Platz. Die einzelnen Betten sind aus Stahl und elastischem Gummi geflochten. "Kopfkissen und Bettdecken haben wir in genügender Zahl gelagert", sagt Müller. Auch der Waschraum und der Toilettenbereich sind immer noch voll einsatzbereit. An verschiedenen Stellen hängen große graue Schläuche an den Wänden. "Sie werden im Bedarfsfall mit Trinkwasser gefüllt." Auch ein Sanitätsraum ist vorhanden.
Schlafraum für 8 Personen - Bettdecken - Medzinschrank
Insgesamt 800 Menschen finden im Bunker Schutz. "Für mehr ist die Belüftungsanlage nicht ausgelegt", erklärt Müller. Gebaut wurde der Bunker im Jahr 1941/42 als Schutz vor feindlichen Bombenangriffen. Die Betonwände sind eineinhalb Meter dick. Seitdem wurde die Anlage in Schuss gehalten. In den 80-er Jahren sogar für eine Million Mark saniert. Doch nun nagt der Zahn der Zeit an dem 60 Jahre alten Bau.
"Mit dem Fall der Mauer ist auch das Feindbild verschwunden", weiß Müller. Der Bund streicht die Mittel für die Instandhaltung der Bunker zusammen. Mit seiner Mannschaft aus Wehrdienstbefreiten kann er nur noch für das Nötigste sorgen.
Zuluftanlage - Flur - Telefonzentrale
Dem anhaltenden Wassereinbruch kann er nur schwer entgegen wirken. Die anhaltenden Erschütterungen durch den Stadtbahn- und Straßenverkehr auf dem Karl-Benz-Platz tun ihr Übriges. "Der Bunker zerfällt langsam", so Müller.
Vor allem ältere Menschen wüssten um die Bunker. Während der Jugoslawien-Krise erhielt die Branddirektion etliche ängstliche Anrufe. "Sie können sich noch erinnern, wie es früher war", so Müller. "Jeder Mensch wird im Bedarfsfall in den Bunkern aufgenommen". Das dies nötig sein wird, hofft er nicht mehr.
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4500 Betten stehen unter
dem Hauptbahnhof |
Stuttgarts Bunker sind einsatzbereit und bieten Platz
für 72 000
Menschen - Alte Anlagen werden vermietet
Stuttgart - Nur wenige kennen sie, die Bauwerke, in denen sich die
Menschen in Stuttgart während des Zweiten Weltkriegs flüchteten.
Auch die Mehrzweckanlagen, die während des Kalten Kriegs entstanden
sind, finden kaum noch Beachtung. Obwohl tausende Stuttgarter täglich
in einer solchen Schutzanlage parken, auf die S-Bahn warten oder mit
den Auto hindurch fahren.
Von Simone Deitmer
Der Schlüsselbund von Alfred Banzer ist groß. 46 Bunker
verwaltet der Sachgebietsleiter Gebäude- und Grundstücke bei
der Branddirektion. Banzer geht bald in den Ruhestand. Er ist einer
der wenigen in Stuttgart, der die Schutzanlagen kennt wie seine eigene
Westentasche. Denn wer glaubt, das Parkhaus der Deutschen Bahn unter
dem Hauptbahnhof zu kennen - hat sich vermutlich geirrt. Dort können
nicht nur Autos abgestellt werden, die Tiefgarage ist eine der größten
Mehrzweckschutzanlagen in der Landeshauptstadt. "4500 Menschen
haben hier Platz", erklärt Banzer in der weitläufigen
Parkebene.
Unabhängig von der Außenwelt
Zwei Schleusentüren und drei bis zu 38 Tonnen schwere Tore aus
massivem Beton riegeln den Bunker hermetisch ab - auch gegen biologische
und chemische Kampfstoffe. Abgeschottet und völlig unabhängig
von der Außenwelt könnten die Schutzsuchenden 14 Tage unter
dem Hauptbahnhof verbringen. Unter der Parkebene, die sich im Notfall
in einen riesigen Schlafraum mit 4500 Liegemöglichkeiten verwandeln
ließe, verbirgt sich eine eigene kleine Welt: In den grünlich
gestrichenen Gängen riecht es muffelig, ab und zu steigt der Duft
von Mottenkugeln oder Reinigungmittel in die Nase. In Glasvitrinen sind
haltbare Lebensmittel ausgestellt, die - nach damaliger Auffassung -
in jedem gut sortierten Kellerregal vorrätig sein sollten. "Mahlzeiten
in Notzeiten": Hartkekse, Pumpernickel und Rührei mit Zwiebeln
- Gerichte mit 15 Jahren Haltbarkeit. Einen Vorrat an Lebensmitteln
oder Sanitätsutensilien gibt es in der Mehrzweckanlage jedoch nicht.
Lediglich Besteck und 4500 Trainingsanzüge als Ersatz für
kontaminierte Kleidung liegen bereit: "Die würde man heute
wohl nicht mehr tragen", so Banzer. Auch Waschräume und Strom-Generatoren
scheinen nicht mehr zeitgemäß. Veraltet ist der Bunker aber
keineswegs: "Es werden regelmäßig Probeläufe durchgeführt,
das übernehmen die freiwilligen Helfer des Schutzraumbetriebsdienstes."
Die Anlage funktioniert und ist einsatzbereit - allerdings geht man
heute von einem Jahr Vorwarnzeit aus - "früher waren es einige
Wochen."
Regelmäßig überprüft werden alle Schutzanlagen,
auch die S-Bahn-Haltestelle Stadtmitte und der Heslacher Tunnel an der
B 14. "Dort haben jeweils etwa 4500 Personen Platz", so Banzer.
Die Bunker werden "in Schuss" gehalten - die Öffentlichkeitsarbeit
hat die Feuerwehr jedoch aufgegeben. "Nach der Wende hat das Interesse
an Bunkern abgenommen. Wir sind sogar auf Handzetteln sitzen geblieben."
Aktenschränke im Fluchtstollen
Anfang der 90er Jahre stellte der Bund den Ausbau von Schutzräumen
ein. Nur noch die Instandhaltung wird finanziert. Übrig blieben
zehn Schutzstollen, die nicht nutzbar gemacht wurden. "Die Technik,
die für einen Schutzraum-Betrieb notwendig ist, fehlt in diesen
Objekten." Ein solcher Schutzraum befindet sich unter der Heilbronner
Straße. Wo im Krieg die Angestellten der Reichsbahndirektion (heutiges
Interimsrathaues) Schutz suchten, lagern jetzt Akten des Ordnungsamtes
und Utensilien eines Künstlers. In der Röhre ist alles noch
so, wie es die Menschen im Krieg vorfanden. Sofern es möglich ist,
werden die brach liegenden Schutzräume heute anderweitig genutzt.
Unter der Heilbronner Straße wurden schon Kriegsfilme gedreht.
Es gilt die Maxime "alles was vermarktbar ist, wird vermarktet":
80 Musikgruppen üben in Bunkern, eine Anlage wird von Champignonzüchtern
genutzt, in anderen Stollen lagert Wein.
Der wohl bekannteste Hochbunker am Pragsattel dient als Werbefläche.
Der Eingang zu dem Turm ist mit einem Gitterverschlag gesichert. Vier
Schlüssel benötigt Alfred Banzer, um hinein zu gelangen. Im
Inneren des 40 Meter hohen Baus haben 1000 Menschen Platz. "Der
Pragsattel-Bunker stammt aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Wände sind
einen Meter dick." Wo bis Ende der 50er Jahre ein Männerwohnheim
betrieben wurde, gehen heute - nachdem Strom und Lüftung installiert
wurden - nur noch Arbeiter und Techniker ein und aus. Ob die Türen
der Bunker jemals wieder für Schutzsuchende geöffnet werden
müssen, steht in den Sternen. Die Technik funktioniert jedenfalls.
Die Bunker werden in verschiedene Kategorien eingeordnet. Das Tiefbauamt
verwaltet mehr als 300 Fluchtstollen, die nicht mehr begehbar sind.
In die Zuständigkeit der Branddirektion Stuttgart fallen 46 Objekte
- Mehrzweckanlagen, nutzbar gemachte Bunker aus dem Dritten Reich, Hausschutzräume
und Anlagen die vom Bund nicht mehr als Bunker nutzbar gemacht wurden.
Die Wiederherstellung der Schutzanlagen wurde nach der Wende 1991 eingestellt.
Für die Instandhaltung der Anlagen bezahlt der Bund jährlich
durchschnittlich 170 000 Euro an die Stadt.
Esslinger Zeitung vom 14.11.2003
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1. Hochbunker
Untertürkheim Sattelstraße
Fotos: Enslin
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2. Hochbunker
Untertürkheim Sattelstraße
wird 2015 zum Wohnhaus umbebaut |
Zuflucht im Untergrund
Bunker bieten fast 70 000 Menschen Schutz
Haltestelle
Stadtmitte eine der größten Anlagen |
Untertürkheimer
Zeitung 15.7.2006
Von Martina Fürstenberger
Stuttgart
Täglich strömen tausende von Menschen
durch die unterirdische S-Bahn-Haltestelle Stadtmitte.
Sie warten am Bahnsteig, steigen ein, steigen aus, studieren
die Fahrpläne und lesen Zeitung. Wohl keiner ahnt,
dass er sich in einer der größten Schutzanlagen
der Landeshauptstadt befindet. 4500 Menschen würden
hier Platz finden, falls es zu einem Bombenangriff kommen
sollte. Oder zu einem Unfall einer Chemiefabrik.
Wer eine Führung mit Ulrich Nappert vom Schutzraumbetriebsdienst
gemacht hat, sieht die Haltestelle mit anderen Augen. Bänke,
Hinweistafeln, Mülleimer würden alle abgebaut,
erklärt Nappert. Stattdessen würden wir auf dem
Bahnsteig Feldbetten aufstellen. Gut 3300 Menschen könnten
so untergebracht werden. Zusätzlich würden zwei
S-Bahn-Langzüge in die Haltestelle einfahren: Sitzplätze
für 1140 weitere Menschen. Nappert läuft bis
zum Ende des Bahnsteigs und weiter auf einem schmalen Sims
in den Tunnel hinein. Vorsicht ist angebracht, schließlich
saust alle paar Minuten eine rote S-Bahn vorbei. Die Führung
wurde bei der Aufsicht angemeldet, ansonsten würden
Fremde im Tunnel unweigerlich den Zugverkehr lahm legen.
Eingang durch Schleusen
Nach etwa zehn Metern deutet Nappert auf eine schwere
Eisentür,
die parallel zum Bahnsteig im Tunnel hängt. Über
die Schienen an der Decke kann man das Tor quer in den
Tunnel schieben, erklärt Nappert. Auf der Bahnsteigebene
wäre der Schutzraum dann abgedichtet. Weitere Tore
gibt es oben an den Rolltreppen. Auch dort würde
im Notfall alles abgeschottet werden.
Die Bunkeranlage könnte dann nur noch über vier
Schleusen betreten werden. Zwei davon sind am Ausgang Büchsenstraße,
zwei am Rotebühlplatz. Einzeln würden die Menschen
eingelassen. Wir müssen abzählen, sagt Nappert.
Die Schleusenwärter würden über Telefon
Kontakt halten. Dazu ist kräftiges Kurbeln notwendig:
Auch ohne Strom muss die Kommunikation funktionieren. Wassertanks,
Belüftungsrohre, Sandfilter und chemische Filter,
Materiallager, Werkstatt, Waschräume und Toiletten:
Viele Räume und einiges an Technik sind in der Anlage
Stadtmitte versteckt. Es geht lange Gänge entlang,
Treppen hinauf und Treppen hinunter. In einem Besprechungsraum
macht Nappert Halt, erklärt anhand eines Plans den
Aufbau der Anlage. Der eigentliche Schutzraum auf dem
Bahnsteig ist nur der sichtbare Teil davon.
Pro Tag zwei Liter Trinkwasser
Hunderte Gestelle für Feldbetten lagern in einem Raum,
aus einer Schachtel daneben lugt eine weiße Decke
heraus. Die Materialien sind ewig haltbar, sagt Nappert.
Decken, Kissen, Plastikbecher, Schüsseln, Teller,
Teekannen, Verbandsmaterialien, Fieberthermometer, Wochenbettpackungen
seit den 70er Jahren, als die Anlage gebaut wurde, lagern
die Sachen teilweise hier. Mehrere Schutzbauten sind in
der damaligen Zeit errichtet worden, schließlich
war die Bedrohung im Kalten Krieg nah. Heute scheint eine
kriegerische Auseinandersetzung auf deutschem Boden zwar
in weiter Ferne. Doch was ist bei einem biologischen Angriff?
fragt Nappert. Oder einem Unfall in einem Kernkraftwerk?
Auch in solchen Fällen wäre man auf Schutzräume
angewiesen.
Auf einen Aufenthalt von 14 Tagen ist man vorbereitet.
140 000 Liter Trinkwasser können in den großen
Tanks gelagert werden. Pro Person und Tag zwei Liter, so
Nappert. In einem Raum sind Feldbetten aufgebaut. Hier
würden Verletzte versorgt. Auf der Straße ahnt
man kaum etwas von dem, was unter der Oberfläche alles
verborgen ist. Nur ein quadratischer Betonblock im Grünstreifen
zwischen den Fahrspuren der Theodor-Heuss-Straße
ist zu sehen. Eine Stange ist daran befestigt die Antenne
für die Bunkeranlage.
Rund 70 000 Schutzplätze gibt es in Stuttgart, etwa
40 000 davon werden gewartet und gepflegt. In der Haltestelle
Stadtmitte würden 4500 Menschen unterkommen, ebenso
in der Tiefgarage des Hauptbahnhofs. 5000 Personen fänden
im unteren Teil des Heslacher Tunnels Platz, 1000 im Tiefbunker
am Wilhelmsplatz, 1400 in einem Parkhaus in der Kriegsbergstraße,
800 im Tiefbunker unter dem Untertürkheimer Karl-Benz-Platz,
gut 500 im Cannstatter Hochbunker in der Badstraße,
1200 auf dem Pragsattel. Insgesamt sind es 46 Bauwerke,
die vom Schutzraumbetriebsdienst der Feuerwehr betreut
werden. Daneben gibt es im hügeligen Stuttgart unzählige
Stollen. Einige Bunker werden benutzt als Musikübungsraum,
als Atelier für Künstler oder eben als Haltestelle.
Die meisten jedoch sind unbekannt.
Um die Bunker mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit
zu rücken, hat sich vor kurzem ein Verein gegründet.
Nappert ist einer der Gründungsmitglieder des Schutzbauten
Stuttgart e.V. Den Initiatoren geht es dabei auch darum,
das Wissen um die Geschichte zu bewahren. Viele alte Menschen
können noch autentisch von ihren Erlebnissen in den
Luftschutzbunkern erzählen. Wo könne man Geschichte
unmittelbarer erfahren als in den Bauwerken der damaligen
Zeit?
Am Tag des Offenen Denkmals (10. September 2006) wird
in Feuerbach, Wiener Platz 3, eine Ausstellung eröffnet.
Im Winkelturm, einem Hochbunker, wird das Leben in Schutzbauten
während
des Zweiten Weltkriegs gezeigt. Führungen gibt es
durch den Tiefbunker in Feuerbach und den Hochbunker
am Pragsattel.
Mehr Infos im Internet: www.schutzbauten-stuttgart.de
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