„Oma“ Steinbach feiert 100. Geburtstag
UNTERTüRKHEIMER ZEITUNG 30.3.2011: Gerda Steinbach führte 75 Jahre lang ihr Handarbeitsgeschäft in der Wallmerstraße - Beliebt bei mehreren
Generationen
Generationen von Untertürkheimern kennen und mögen Gerda
Steinbach. Kein Wunder, schließlich führte sie 75 Jahre lang ihr
Handarbeitsgeschäft in der Wallmerstraße. Sie war eine der
ersten und eine der ältesten Unternehmerinnen in den Oberen
Neckarvororten.
Neben den wichtigen Utensilien wie Wolle und Garn gab die
Expertin vor allem auch hilfreiche Tipps. Gestern feierte die gebürtige
Untertürkheimerin ihren 100. Geburtstag.
Jahrzehnte
lang kannten Passanten dieses Bild: Gerda Steinbach saß auf ihrer
gemütlichen Bank in ihrem heimeligen Laden in
der Wallmerstraße 7. Neben den verschiedenen Wollen und Garnen
entwickelte sich ihr Geschäft vor allem aufgrund ihrer humorvollen
Art und auch aufgrund ihres Fachwissens zu einem echten
Geheimtipp. Denn nie war sie um einen guten Tipp verlegen. „Teilweise
hat sie sogar aus Packpapier die gewünschten Schnittmuster
ausgeschnitten“, weiß Sohn Konrad. „Wie muss ich den Ärmel für
den Pullover abnehmen?“ oder „Wie funktioniert das bei den
Babyschuhen?“ - Gerda Steinbach kannte die Antworten. Neben der
ausgezeichneten Beratung wussten die Kunden vor allem auch die
persönliche Atmosphäre zu schätzen. Denn ein kleines Schwätzchen
gehörte eben auch immer dazu. So hatte sich die Untertürkheimerin
schnell zur „Institution“ gemausert. Noch heute kennen und
mögen sie Generationen von Untertürkheimern - und darüber hinaus.
Denn teilweise kamen die Kunden von Lederberg bis Bad Cannstatt.
So kannten sie Generationen von Untertürkheimern, die sich neben der Wolle auch die nötigen Tipps bei Gerda Steinbach in ihrem Handarbeitslädle in der Wallmerstraße holten. Archivfoto: Kuhn
Ein
dreiviertel Jahrhundert hat sie ihr Geschäft selbst geführt. Steinbach
lernte ihr Handwerk von der Pieke auf. Auf der
Kunstgewerbeschule Stuttgart hat sie ihren Abschluss gemacht. „Das
war 1933“, weiß die rüstige 100-Jährige, „das ist lange
her“. Dennoch weiß sie, dass ihr Professor ihr riet, sie solle in
die Textilbranche auf die Schwäbische Alb oder ins Allgäu
gehen. Sie aber hatte andere Pläne, nahm das Angebot ihres Vaters
an und machte sich selbstständig. Damals waren gerade die
Geschäftsräume im Haus in der Wallmerstraße frei geworden. Ihre
Entscheidung hat sie nie bereut. „Es war immer was los“, erinnert
sich Steinbach. Auch als sie nach dem Krieg den Sohn, nach dem ihr
Mann gefallen war, alleine mit dem Geschäft aufziehen musste.
Zeitweilig waren im Nebenraum mehrere Webstühle im Einsatz.
Das
passte zu ihr, denn umtriebig war sie immer. So machte sie auch 1929
als eine der ersten Frauen in Stuttgart überhaupt
ihren Führerschein. Die Prüfung musste man damals noch beim
„Dampfkessel-Revisions-Verein“ ablegen. Auch der Name des Fahrmeisters
Schneider ist der Jubilarin noch geläufig. „Das Geschäft hat sie
jung gehalten“, weiß Sohn Konrad. Schließlich hat sie es
bis ins Alter von 96 Jahren geführt. Sie besuchte die „älteren
Leute“ im Paul-Collmer-Heim, um ihnen Wolle zu bringen, und
als ihr Sohn Konrad in Ruhestand ging, meinte sie nur: „Buab, des
wird auch Zeit, dass du aufhörst“.
Selbst mit 100 Jahren strickt die rüstige Jubilarin noch ab und zu ganz gerne - ohne Brille.Foto: Müller
Doch
konsequent, wie sie ist, hatte sie nach dem Ende doch schnell mit dem
Geschäft abgeschlossen. „Sie hat sich nicht mehr
damit beschäftigt“, weiß Schwiegertochter Elsbeth. Die meisten
Materialien wurden an Schulen und Kindergärten verschenkt,
eine Vitrine hat sich eine Enkeltochter als Erinnerung ins Haus
gestellt. Aber die Liebe zur Handarbeit ist geblieben. „Eine
Kiste mit Wolle haben wir behalten“, weiß Elsbeth. Denn auch mit
100 Jahren hat Gerda Steinbach noch Spaß am Stricken - und
bis heute ohne Brille. Bis Ende vergangenen Jahres lebte sie auch
noch in ihrem Haus in Untertürkheim, nun ist sie aber zu
ihrem Sohn nach Aichwald gezogen.
Der große Tag wurde gestern mit der Familie, zwei Enkeln und fünf Urenkeln, gefeiert. Von denen wird Gerda Steinbach nur „Oma“
genannt - egal welche Generation.