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Stuttgarter-Zeitung-Mordfälle, Teil 5

Kommissar Zaiß kann nicht vergessen


Der Fall Westhauser – vor 25 Jahren ist eine Rentnerin nach einem Raub in Rotenberg tot zusammengebrochen

Durch moderne Kriminaltechnik können immer mehr alte Mordfälle geklärt werden, die früher unlösbar schienen. Aber es gibt noch viel zu tun: In der Region sind seit Kriegsende 92 Morde ungesühnt. Mit diesen Verbrechen befasst sich die Stuttgarter Zeitung in einer Serie.

Der Tag, an dem Maria Luise Westhauser vor Aufregung starb, hatte nichts, was man im Nachhinein als Vorzeichen hätte deuten können. Es war der 18. Dezember 1980. Ein Montag in Rotenberg wie viele andere. Und doch ein Montag, den Volker Zaiß nicht los wird, weil er immer wieder aus den Tiefen seines Bewusstseins drängt und in ihm wühlt und das Vergangene in Gegenwart verwandelt, als wäre alles erst gestern gewesen.

Wie Zucker liegt an diesem Abend der Schnee auf den Dächern von Rotenberg, einem Ort, der 792 Seelen zählt, die einander nicht fremd sind. Auswärtige trifft man in dieser Jahreszeit selten auf den Anhöhen über Stuttgart. Die meisten Ausflügler drängt es erst im Frühling zu landesgeschichtlichen Exkursionen. König Wilhelm und seine Katharina ruhen in Frieden, droben in der Grabkapelle, deren sich Rotenberg rühmt.

Gegen 17.30 Uhr steht die Witwe Westhauser in der Bäckerei Pfrommer, die nur einen Steinwurf von ihrem Haus entfernt ist. Das Thermometer zeigt vier Grad unter Null. Sie trägt einen grünkarierten Damenmantel, Modell Dixie, Größe 40. In ihrer roten Plastikhandtasche verstaut die betagte Dame eine Packung Zucker, eine Flasche Adelheid-Quelle, drei Dosen Bärenmarke, ein Päckchen Aurora-Mehl. Aber backen wird Maria Luise Westhauser nicht mehr. Wenige Minuten später liegt die 74-jährige Rentnerin tot vor ihrem Haus in der Stettener Straße 37. Blut tropft aus einer Wunde am Kopf.

Um 17.41 Uhr geht der Notruf beim Revier in Untertürkheim ein. Eugen Berner, der Bruder des Opfers, meldet sich am Telefon. Seine Schwester sei beraubt worden, sagt er. Später erinnert er sich genau an das, was ihm Maria Westhauser gesagt hat, als sie bei ihm klingelte. Es sind ihre letzten Worte: "Eugen, ruf schnell die Polizei. Sie haben mir meine Tasche weggerissen. Zwei junge Kerle. Ich bin ganz aufgeregt." Als der Bruder nach dem Telefonat zu seiner Schwester vors Haus eilt, liegt sie am Boden. Der Notarzt kann ihr nicht mehr helfen. Niemand weiß, ob die klaffende Kopfwunde von einem Schlag der Täter herrührt oder von ihrem Sturz. Die Ermittler wenden in solchen Fällen die so genannte Hutkrempenregel an. Ist die Verletzung oberhalb der Hutkrempe, deutet vieles auf einen Schlag hin. Ist sie unterhalb, also an der Stirn oder am Hinterkopf, deutet alles auf eine Sturzverletzung hin. Bei Maria Westhauser ist die Wunde oberhalb der Hutkrempe. Der Obduzent wird später in seinem Bericht protokollieren: "Die Verletzungen sind für sich allein genommen nicht ausreichend, den Tod zu erklären." Wahrscheinlich hat das Herz versagt, das nicht fertig geworden ist mit den Aufwallungen des Unglücks.

Um 17.48 Uhr ist der erste Polizeiwagen am Ort des Geschehens. Eberhard Metzger, Dienstgruppenführer und erfahrener Beamter, hat seinen 19 Jahre alten Kollegen Volker Zaiß mitgenommen. Der Polizeihauptwachtmeister hat seine Ausbildung gerade beendet und sieht sich zum ersten Mal mit einem solchen Verbrechen konfrontiert. Vom Notarzt erfährt er, dass Maria Luise Westhauser die Begegnung mit den Räubern nicht überlebt hat. "Plötzlich war das nicht mehr nur ein Handtaschenraub", sagt Zaiß. "Der Fall hatte eine andere Dimension."

Mit dieser Dimension geht eine Choreografie einher, die den Vollstreckern des staatlichen Gewaltmonopols wohl vertraut ist, unvorbereitete Bürger aber aufschreckt. "An diesem Abend ist über Rotenberg die Polizei hereingebrochen wie seither nicht mehr", erinnert sich Zaiß. Mit der Ruhe ist es vorbei im Dorf, das von einem Augenblick zum anderen unter der Dunstglocke eines Verbrechens liegt, das man hier nicht für möglich gehalten hätte. Rotenberg ist bis dahin allenfalls durch Parksünder an der Grabkapelle kriminalstatistisch in Erscheinung getreten. Jetzt patroullieren acht Fahrzeuge der Schutzpolizei durch den Flecken. Der junge Staatsdiener Volker Zaiß riegelt mit seinen Kollegen die Zufahrtsstraßen und Feldwege ab. Linienbusse werden von den Beamten kontrolliert, Fahrer befragt.

Zwischen 19.20 Uhr und 19.45 Uhr lässt eine metallene Stimme nichts ahnende Rotenberger beim Abendbrot aufhorchen. "Achtung, Achtung, hier spricht die Polizei. Gegen 17.45 Uhr wurde heute Abend hier in der Stettener Straße eine 74-jährige Frau von zwei jungen Männern überfallen und ihrer Einkaufstasche beraubt. Die Frau ist nach dem Überfall verstorben. Wer hat zur fraglichen Zeit Beobachtungen gemacht?" Ein älterer Herr meldet sich noch am Abend. Er war im Löwen in Uhlbach und hat auf dem Heimweg zwei junge Männer bemerkt, die ihre Hände vors Gesicht hielten, als sie das Licht seiner Autoscheinwerfer erfasst hat. Einer der Fußgänger hatte eine Handtasche bei sich. "Sie machten einen gehetzten Eindruck", sagt der Zeuge. Er beschreibt die Männer. Die Fahndung bleibt vergebens. Die Polizei wird der Täter nicht habhaft.

Am nächsten Tag heißt es im Polizeibericht: "Die Gesuchten flüchteten mit großer Wahrscheinlichkeit zu Fuß über Weinberge in Richtung Stuttgart-Uhlbach. Der eine Täter ist zwischen 18 und 25 Jahre, 1,75 bis 1,80 Meter groß, schlank. Er hat eine sportliche Figur, kurze blonde Haare, ein längliches Gesicht. Der zweite Täter ist zwischen 18 und 20 Jahre alt, 1,70 Meter groß, sportlich. Kräftige Figur, kurze Haare, rundes Gesicht." Für Volker Zaiß, den Streifenbeamten aus Untertürkheim, ist der Fall mit dem Protokoll des Einsatzes erledigt - jedenfalls vorerst. Für die weiteren Ermittlungen sind die Kollegen von der Kripo zuständig. Was Zaiß damals nicht ahnen kann: Der Tod von Maria Westhauser wird ihn weiterverfolgen, und er wird in ihm wühlen. Bis heute.Uhlbach

Zwei Tage nach dem folgenschweren Handtaschenraub von Rotenberg machen Bedienstete des Waiblinger Bauhofs im dortigen Freibad einen seltsamen Fund. Auf dem Gelände entdecken sie eine rote Handtasche, mit Aurora-Mehl, Bärenmarke-Dosen und einem Abschnitt der Arzneimittelverpackung "Renie bei Sodbrennnen". Der Geldbeutel fehlt. Dafür finden die Beamten einen Gegenstand, der sich bis heute nicht zuordnen lässt, ein Braun-Blitzgerät, Hobby F 17. Wie es zu den Sachen von Maria Westhauser gekommen ist, bleibt ungeklärt.

Am Fundort der Tasche, die im Schnee vor dem Zaun des Freibads liegt, bemerken die Fahnder zwei markante Schuhspuren, 33 Zentimeter lang, vermutlich Größe 44 oder 45. Im Schuhhaus Tack auf der Königstraße entdecken die Beamten nach aufwendiger Recherche zur Sohle das passende Fabrikat. Es handelt sich um auffällige Moon Boots, italienische Marke, Tiesse, 69 Mark. Aber auch diese Spur führt nicht zu den Tätern.

Seltsam ist für die Ermittler, dass sich keiner der Angehörigen von Maria Westhauser erklären kann, wofür die Witwe ein Blitzgerät brauchen sollte. Stammt es von den Räubern? Auch andere Fragen beschäftigen die Beamten. Wieso landet die Tasche zwei Tage später im Waiblinger Freibad? Hat sie jemand für die Täter entsorgt? Welche Verbindung gibt es ins Remstal? Was haben die Männer an jenem Abend im entlegenen und verschneiten Rotenberg gesucht? Stammen die beiden aus der Gegend? Warum sonst haben sie die Hände vors Gesicht gehalten, als ihnen der Zeuge auf dem Heimweg vom Löwen in Uhlbach begegnet ist?

Diese Fragen sind bis heute unbeantwortet, und es ist Volker Zaiß, der sie immer wieder stellt. Er ist längst nicht mehr Streifenbeamter, sondern Leiter der Mordkommission in Stuttgart. Zaiß ist heute 44, ein Missionar der Aufklärung und einer der besten Fahnder im Lande, wenn es um Kapitalverbrechen geht. Dass er den Fall Westhauser noch immer nicht klären konnte, kratzt an den Rezeptoren seines Ehrgeizes. Deshalb sucht der Kriminaloberrat weiter nach der Wahrheit und bewahrt die Westhauser-Akten, aus denen der üble Atem des Verfalls dringt, bei sich auf. "Sie sind wie ein Tagebuch", sagt er. "Das ist ein stetes Erinnern."

Für den Ermittler liegt der Verdacht nahe, dass die Verbrecher einen Bezug zu Uhlbach oder Rotenberg hatten. "Kein Auswärtiger ist in dieser Jahreszeit dort oben unterwegs, um sich gezielt ein Raubopfer zu suchen", sagt er. Es könnte sein, dass die Männer von damals, die heute Ende vierzig sein dürften, in Waiblingen gearbeitet haben. Vielleicht nagt das Gewissen an ihnen, vielleicht gibt es Zeugen, die ihr langes Schweigen brechen. Volker Zaiß lässt sich die Zuversicht nicht nehmen - die Zuversicht, dass er die beiden Täter eines Tages doch noch ermitteln kann.

Von Michael Ohnewald und Markus Heffner
15.10.2005 -

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