Stuttgarter Zeitung vom 30.10.2004
Obertürkheimer Weingärtnergenossenschaft schließt sich der Weinmanufaktur an -
Immer mehr Fusionen und Kooperationen im Land
Vor einigen Jahren wäre es undenkbar gewesen: Die Obertürkheimer lassen ihren Wein in Untertürkheim machen. In diesen Tagen passiert aber genau das. Die Genossenschaften der Nachbarorte schließen sich zusammen. Es ist nicht die erste derartige Fusion in Württemberg.
Von Jürgen Brand
Eigentlich geht es den Obertürkheimer Wengertern nicht schlecht. Sie sind gut ausgebildet, können von alten Rebstöcken in terrassierten Steillagen ernten, haben in den vergangenen Jahren verstärkt auf Qualität gesetzt. Trotzdem musste sich die kleine Genossenschaft mit ihren 25 Mitgliedern, von denen immerhin noch die Hälfte Trauben abliefert, Gedanken über die Zukunft machen. Seit Jahren nimmt die Zahl der Mitglieder ab. Und auf Dauer kann die kostspielige Qualität mit so wenig Leuten nicht gehalten werden.
Anders die Situation der großen Weinmanufaktur Untertürkheim. Die hat sich vor einigen Jahren einen neuen Namen, ein neues Erscheinungsbild und ein neues Konzept verpasst. Die Konsequenz: eine Auszeichnung nach der anderen, der Gault Millau bezeichnet die Weinmanufaktur sogar als beste Weingärtnergenossenschaft Württembergs. Das hat allerdings auch zur Folge, dass die Untertürkheimer die Nachfrage nach ihren Weinen kaum noch bewältigen können - was die Kundschaft nicht gerade freut. Gleichzeitig haben die Untertürkheimer in ihrer Kelter noch Kapazitäten frei, weil früher bekanntlich Masse vor Klasse ging.
Vor anderthalb Jahren sprachen die beiden Genossenschaftsvorsitzenden zum ersten Mal über einen Zusammenschluss, "mitten im Weinberg, Schlepper an Schlepper", erzählt Manufaktur-Chef Bernd Munk. Jetzt, zur Lese 2004, wird die Fusion schon vollzogen. Die Obertürkheimer, die ihre Trauben bisher zur Württembergischen Weingärtner-Zentralgenossenschaft (WZG) nach Möglingen geliefert haben, bringen sie nun nach Untertürkheim. Die gemeinschaftlichen Weine werden künftig unter der Bezeichnung Weinmanufaktur Untertürkheim auf den Markt kommen, im 1-Liter-Bereich werden auch weiter Weine mit Obertürkheimer Lagebezeichnung angeboten. Proteste gegen den Zusammenschluss gab es offenbar kaum. Bei den Mitgliederversammlungen sprachen sich deutliche Mehrheiten dafür aus.
So eine Fusion unter Wengertern ist kein einmaliger Vorgang mehr, wie der WZG-Vorstandssprecher Dieter Weidmann sagt: "Das ist nur Ausdruck des Strukturwandels, der auch bei den Genossenschaften stattfindet." Durch solche Zusammenschlüsse sollen Kosten gespart und die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden. So hat sich zum Beispiel im Juni 2004 die Weingärtnergenossenschaft Nordheim der Heuchelberg-Kellerei angeschlossen, andere Genossenschaften kooperieren. Weidmann: "Die Weinproduzenten stehen zwar im Vergleich zu anderen landwirtschaftlichen Sektoren relativ gut da. Man muss trotzdem rechtzeitig auf den Wandel reagieren." Und deswegen wird die neue Freundschaft zwischen Unter- und Obertürkheim bestimmt nicht die letzte Fusion in der Branche gewesen sein.
30.10.2004