Faszinierender Gesang der Steine
Untertürkheim: Wie Klaus Feßmann in der Stadtkirche mit Steinen musiziert
VON IRIS FREY - Untertürkheimer Zeitung vom 13.4.2005
Wenn Professor Klaus Feßmann seine Hände in die Schüssel mit Wasser getaucht hat und sanft an dem dunklen, etwa ein Meter hohen Steinblock entlangstreicht, beginnt ein faszinierendes musikalisches Ereignis, das einzigartig ist: Feßmann zeigt in der Stadtkirche St. German den Gesang der Steine, tonnenschwerer Musikinstrumente. Doch so grobklotzig, wie sie da stehen, ist nur ihr Äußeres. In sich bergen sie zauberhafte Klänge - erweckt von einem, der sich seit vielen Jahren damit beschäftigt. Der Musikprofessor Klaus Feßmann, der 1951 in Nürtingen geboren ist und von 1983 Dozent an der Stuttgarter Musikhochschule war, seit 1997 als Professor am Mozarteum in Salzburg lehrt, kennt seine Steine aus teils zehnjähriger „Zusammenarbeit". Er spielt sie täglich bei Temperaturen von 18 bis 20 Grad und entlockt ihnen immer wieder neue Töne.
Seine „Stradivari" ist ein Serpentinstein aus dem Oberen Engadin, 250 Kilo schwer. Erst vor acht Wochen hat er den Stein musikalisch erweckt. Die Zuhörer in der Stadtkirche erleben eine Uraufführung. Zart und fibrierend sind die Töne, die der Meister ohne Kraftaufwand den Steinen entlockt. Die Töne hören sich an wie Violinenspiel oder wie Flötenmusik, mal summend, surrend, dann dynamisch sirrend, sehr wohlklingend. Sind es mehrstimmige Glocken?
Die Töne variieren in ihren Höhen und Tiefen, in ihrer Intensität, sie ergreifen einen wellenartig, beruhigen, jubilieren, sind kraftvoll und voller Leben. Die Palette der KlangSteine scheint so vielfältig wie die Arten und Größen der Steine, die es gibt.
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Einmaliges Erlebnis: Musikprofessor Klaus Feßmann hat in der Untertürkheimer Stadtkirche Steine zum Klingen gebracht. Foto: Frey
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„Der Stein ist ein faszinierendes Wesen", sagt Feßmann. Auch Pfarrerin Iris Sönning spricht von einem „neuartigen Erlebnis" in dem geschichts-trächtigen sakralen Bauwerk, in dem man einst uralte Steine und Tonscherben gefunden hat und für deren besondere künstlerische Atmosphäre die Josephswand mit ihren 36 Linolplatten von HAP Grieshaber sorgt. Die Bibel verweist übrigens an 150 Stellen auf Steine.
Feßmann hat es sogar geschafft mit Benediktiner-Mönchen im Kloster Beuron seine Steine zum Choral erklingen zu lassen. Die klingenden Steine kommen aus China, vor 4000 Jahren, sagt Feßmann. Seine Klangsteine sehen aus wie ein stehendes Xylophon mit gesägten Lamellen. Jede Lamelle hat eine Vielzahl von Tönen und Schwingungen. Der Stein kann sogar beim Spielen bersten. Er kann Menschen und Kirchen in Schwingung versetzen, neue Klangkörper schaffen. 250 000 Kilometer ist Feßmann in Europa unterwegs gewesen mit seinen Steinen, darunter auch Phonolithen, die normalerweise für den Straßenbau verwendet werden. Diese klingen noch nicht so, wie es sich der Meister wünscht. Sie haben noch zu viel Wasser in sich, sagt er. Was das Beste bei seinen Kompositionen mit den Steinen ist: „Sie können eigentlich nicht falsch spielen." Das klingt ermutigend. Doch Laien müssen erst einmal lernen, einen Ton mit dem Stein zu erzeugen. Die Präsentation hat einige ermutigt.
• Die Ausstellung in der Untertürkheimer Stadtkirche, Trettachstraße 3, ist täglich von 9 bis 18 Uhr bis 22. April 2005 zu sehen, am 22. April 2005 ist ab 19 Uhr eine Finnissage geplant.
Website mit mp3-Soundbeispielen: www.KlangSteine.com