Untertürkheim www.wirtemberg.de zu den Favoriten STARTSEITE Rotenberg
HOME
ORTSRUNDGANG
VERANSTALTUNGSKALENDER
NEUES
SUCHEN
KURIOSES SEHENSWERT FOTOS+KARTEN WEIN + BESEN PERSONEN VEREINE
DIVERSES WANDERUNGEN SCHULEN+BÄDER NACHBARORTE ZEITUNGEN KIRCHEN
LogoHurst-Fahrzeugbau Stuttgart-Untertürkheim
„Ich besitze nach Daimler-Benz die zweitgrößte Automobilfabrik
in Stuttgart-Untertürkheim."

Versicherungszuschuß 800 Mark

Durch die Veröffentlichungen häuften sich die Bestellungen in der Kappelbergstraße. Arthur F. Hurst fand längst nicht mehr die Zeit, sich allein der Weiterentwicklung und dem Bau seines Autos zu widmen. Er erstellte Kalkulationen und kümmerte sich um Zulieferteile. Er mußte endlich von der teuren Einzelfertigung zu einer geregelten Serienproduktion kommen. Ein Motorrad mit Beiwagen kostete damals rund 2500 Mark und sehr viel teurer durfte der Zweisitzer auch nicht sein, um erschwinglich zu bleiben. Den Käufern wurde aber die Anschaffung soweit als möglich erleichtert. Die Landesver- sicherungsanstalt übernahm auf Antrag 800 Mark des Kaufpreises als verlorenen Zuschuß. 1500 Mark gewährte die Hauptfürsorgestelle als zinsloses Darlehen, so daß der Käufer sofort nur 500 Mark aufbringen mußte. Bei Bestellung verlangte Hurst 1500 Mark Anzahlung. Landesversicherungdirektor Schmid rührte bei Behörden und bei der neuen Bundesregierung die Werbetrommel für das Versehrten-Fahrzeug. Denn immer noch fehlte es Hurst an Geld, um aus der handwerklichen Fertigung herauszukommen - und eine große Automobilfabrik mochte den Typ 250 auch nicht in Serie nehmen, obwohl dort langsam wieder eine geregelte Produktion in Gang kam.

Dabei fehlte es Hurst nicht an Bestellungen. Der Auftragsordner füllte sich noch mehr. Als am 8. April 1949 die Frankfurter Frühjahrsmesse öffnete und Hurst dort mit seinem Spezialwagen vertreten war, meldete die Frankfurter „Abendpost" im Rahmen ihrer Ausstellungs- berichterstattung: „Der geräumige Kleinwagen besitzt eine gute Straßenlage und wiegt nur 320 Kilo." Die „Rhein-Neckar-Zeitung" berichtete gar: „Eine neuartige Spezialkonstruktion erregt Aufsehen auf der Frankfurter Messe." Für die Mannheimer Zeitung war dies von besonderem Interesse, denn kurz vor Ausstellungsbeginn war bekanntgeworden, daß der Kleinstwagen auch in Mannheim gebaut würde.

Hurst
Mit zwölf Mann Belegschaft die zweitgrößte Autofabrik Stuttgarts: Hursts Montagehalle.
Hurst
Mit eleganterer Motorhaube: das Modell 49 des kleinen Hurst- Wagens mit einem Käufer.

Eigene Aluminium-Gießerei

Vor fast einem halben Jahr hatte Hurst einen Lizenzvertrag mit dem Ingenieur Bernhard Herrmann abgeschlossen, doch aus dem erhofften Serienbau wurde nichts, weil auch Hermann die finanziellen Mittel zur Einrichtung fehlten. Als sich durch die vielen Presse-Veröffentlichungen andere Interessenten als Lizenznehmer bei Hurst meldeten, handelte der kurzentschlossen - und kündigte. Aussichtsreichster neuer Bewerber schien ihm Dr. Walter Steinmann, Besitzer einer Apparatebau-Fabrik in Mannheim. Er besaß genügend Kapital, um die Werkzeuge zum Bau des „Hurst 250" anzuschaffen. Im Februar schon hatte man sich an einen Tisch gesetzt und einen neuen Vertrag ausgehandelt: der alte Lizenznehmer, Ingenieur Herrmann, sollte sein Knowhow, Steinmann seine Finanzen und seine Fabrik für den Bau der 250er einbringen.

Auf die Dauer von zehn Jahren würde dann die „Apparatebau Dr. Steinmann" die alleinige Lizenz zum Bau des Hurst-Wagens bekommen. 20 bis 30 Wagen pro Monat sollten hergestellt werden. Der neue Lizenznehmer erklärte sich bereit, „alles daranzusetzen " um den Preis von 2800 Mark nach der ersten Anlaufphase herabzusetzen. Außerdem sollte nach Möglichkeit bei späteren Serien elektrischer Anlasser und Lichtmaschine ohne Preiserhöhung eingebaut werden. Hurst sollte von jedem verkauften Wagen eine Lizenzgebühr von fünf Prozent erhalten. Außerdem blieb bei ihm das Recht, weiterhin auf eigene Rechnung Autos in Stuttgart zu produzieren. Am 18. Februar 1949 unterzeichneten die Beteiligten den Vertrag. Und im April wurden in der Montagehalle der Firma in Mannheim-Käfertal bereits die ersten Wagen aufgebockt. Bald stand ein Güterwagen, vollgeladen mit Stahlblechen auf dem Gelände zur Entladung bereit. Die Bleche wurden maschinell geschnitten, von Hand zusammen- geschweißt, und Montagegruppen komplettierten den Aufbau. Jubelte die „Rhein-Neckar-Zeitung" am 9. April 1949: „Mannheim baut das erste Kleinauto für Versehrte."

Aufwind hatte der Konstrukteur auch in Stuttgart. Die Stadt stellte dem fleißigen Mann in Untertürkheims Bruckwiesenweg 42 eine Baracke zur Verfügung. Während des Kriegs lebten darin Fremdarbeiter, die bei Daimler-Benz arbeiten mußten. Nun standen die Baracken leer und in eine davon durfte Hurst seinen Betrieb legen. Noch im Sommer 1949 zog er ein und hing das Schild „Fahrzeugbau Hurst" vor die Tür. Der Chef zog seine vier Leute aus den angemieteten Räumen bei Eberspächer ab und richtete mit Hilfe von Aufbau-Krediten, aber auch mit Hilfe der Anzahlungen seiner Kunden, die Baracke zu einer Montagehalle um. Sogar in eine kleine Aluminium-Gießerei investierte er, in der die Felgen des Wagens gegossen wurden.

 

Die Blechteile ließ Hurst in einer Stuttgarter Karosseriefirma nach Schablonen schneiden und in die Baracke anliefern. Ein Mann wurde angeheuert, der nur die Stoff-Verdecke zuschnitt. Insgesamt 12 Leute begannen systematisch mit dem Bau der lange bestellten Fahrzeuge. Das Auto, das nun in kleiner handwerklicher Fertigung entstand, war wieder ein Stück perfekter; die Blechteile waren glatter geformt, an der Windschutzscheibe saß ein Scheibenwischer, der von innen mit Hilfe einer Kurbel bedient wurde; am Heck saß eine Stoßstange. Allerdings entfiel nun der Tachometer, die Armaturentafel bestand aus zwei großen Ablagefächern.

Rund zehn Fahrzeuge rollten im Juni und Juli aus der kleinen Halle. Scherzte der Firmenchef damals nicht ohne Stolz: „Ich besitze nach Daimler-Benz die zweitgrößte Automobilfabrik in Stuttgart- Untertürkheim." Er selbst war in diesen Tagen viel unterwegs, um Verträge für Zulieferteile abzuschließen. Zulieferteile, die aber erst später bezahlt wurden, denn nach wie vor mußte Hurst mit dem Pfennig rechnen. Für die weiten Reisen durch die Besatzungszonen, verließ er sich nicht mehr auf den eigenen fahrbaren Untersatz, sondern er leistete sich einen alten Stoewer, Baujahr 1939. Waren einige Fahrzeuge fertiggestellt, fuhr Hurst in seinem Stoewer vorneweg, die Monteure in den 250ern hinterher. War ein Wagen ausgeliefert, stieg der Fahrer in den Chefwagen ein und weiter gings. Über das Rheinland, die Eifel bis hinauf nach Hamburg führten einige solcher Auslieferungsfahrten, die der Chef zugleich als Betriebsausflug für seine Leute organisierte. Noch größere Freude erlebten aber die Menschen, die bisher an Rollstühle oder gar an ihre Zimmer gefesselt waren und nun ein Auto bekamen.

So schrieb der an Kinderlähmung leidende Leonhard Eder, Schreibwarenhändler in Monheim: „Sie können sich kaum vorstellen, wie groß meine Freude war, als Sie meinen Wagen überführten. Ich war gerade auf dem Weg in unseren Garten, das heißt, mein kleiner Bruder schob mich in einem Leiterwägelchen." Drei Jahre mußte Eder abgeschnitten von der Außenwelt verbringen, nun erst komme er dazu, einmal die Natur zu besichtigen: „Der Wagen ist wirklich für einen Körperbehinderten ein Geschenk des Himmels." Ähnlich rührende Gefühlsausbrüche erlebten die Auslieferer auch bei anderen Kunden. Oft war die Übergabe eine Berichterstattung in der Lokalzeitung wert. Schrieb zum Beispiel die „Rheinische Post": „Herr Thummes, Düsseldorf, Oststraße 118 erhielt als erster Düsseldorfer das von Ingenieur Hurst konstruierte Spezialkleinauto für Beinamputierte."

Hurst
Blumengeschmückte Attraktion: Hurst-Wagen bei einem Stuttgarter Kinderfest 1949.

Das unrühmliche Ende

Die Freude über den Aufschwung währte nur kurz. Vor allem der immer wieder erhoffte Festauftrag über 100 Fahrzeuge von der Landesversicherungsanstalt blieb aus. Die Auftragsflut ließ nach, so daß auch keine Anzahlungen mehr eingingen. Die aber wurden dringend benötigt, um die lange bestellten bauen zu können. Am Beispiel der selbstgegossenen Aluminium-Felgen zeigte es sich auch, daß der „Hurst 250" in etlichen Details produktionstechnisch zu aufwendig konstruiert war. Als der „Apparatebau Dr. Steinmann" auch nach dem Bau von 32 Wagen nicht aus den roten Zahlen kam, stoppte Jurist Walter Steinmann kurzerhand den Weiterbau. Ende Oktober kündigte daraufhin Hurst seinem Lizenznehmer den Vertrag. Auch in Stuttgart liefen die Geschäfte zum Ende des Jahres 1949 nicht mehr gut. Seit Jahresmitte waren hier 17 Fahrzeuge entstanden, zu wenig um zu verdienen.

Um einen höheren Verdienst zu erreichen, annoncierte der „Fahrzeugbau Hurst" schon im September 1949 mit „Auto-Reparaturen" und „Ausführung sämtlicher Karosseriearbeiten", angefangen von Lackierungen bis hin zu Polsterungen. Es half nichts. Am 23. Januar 1950 schrieb Hurst an das Amtsgericht in Bad-Cannstatt: „Nachdem alle meine bisherigen Bemühungen, die finanzielle Grundlage zur Weiterführung meines Betriebes, als auch die für einen Vergleichsvorschlag, gescheitert sind, bin ich nun gänzlich zahlungsunfähig geworden und mußte die Produktion vorläufig einstellen." Wenige Tage später stand auch schon der Gerichtsvollzieher in dem kleinen Betrieb und pfändete die Einrichtung. Zuvor hatte Hurst noch drei fahrfertige Autos in die Fabrik eines Freundes in Mannheim-Rheinau geschafft.

Während in Stuttgart alles unter den Hammer kam, komplettierte Hurst diese Wagen noch in aller Ruhe und verkaufte sie, um damit noch Schulden zu tilgen. Der Zusammenbruch der Firma schmerzte Hurst insofern, weil er von anderer Seite noch ideelle Anerkennung für seine Arbeit fand.

 

Im November 1949 hatte ihm der promovierte Ingenieur Heinz Schlichting im Auftrag eines Gremiums technischer und wissenschaftlicher Fachleute aus Hagen angeschrieben, daß „angesichts der enorm wichtigen sozialen Bedeutung eines Vertriebs dieses Fahrzeugs" man sich bei den öffentlichen Stellen und beim Verband der Automobilindustrie einsetzen wolle.

Direktor Schmid von der Landesversicherungsanstalt gab im Februar 1950 noch eine Stellungnahme zu dem „Schwerbeschädigtenfahrzeug" ab: „Ich halte die Herstellung dieses motorisierten Behelfsmittels für durchaus förderungswürdig." Schmid lobte die Hurst-Konstruktion, die „viele Vorzüge hat, die keines der heute im Handel befindlichen motorisierten Fahrzeuge dieser Art aufweisen kann". Er warnte davor, ein solches Vehikel nicht mit herkömmlichen Personenwagen zu vergleichen, sondern eher als Ersatz für „die im Gebrauch befindlichen Hand-Selbstfahrer" anzusehen.

Die Landesversicherungsanstalt wollte sich dafür einsetzen, daß Hurst noch einmal 20000 Mark Entwicklungsbeihilfe vom Wirtschaftsministerium erhielte. Einige Interessenten brachten Hurst mit den Krankenfahrzeugfabriken Petri & Lehr in Offenbach und mit Vertretern der Firma Köhler & Cie. in Heidelberg in Kontakt. Doch das Bemühen, eine Interessengemeinschaft zum Bau des „Hurst 250" zu gründen, scheiterte. Während in Stuttgart alles aufgelöst wurde, meldeten sich aus europäischen Ländern noch Käufer: die Com-mercial-lndustrial in Athen wollte noch im Herbst 1950 rund 100 Fahrzeuge in Stuttgart-Untertürkheim ordern. Nacheinander meldeten sich 1951 eine dänische und eine türkische Importfirma, die unbedingt Hurst-Fahrzeuge importieren wollten. 1952 schrieb eine holländische Firma, sie wolle Hurst-Wagen nach Indonesien exportieren. Doch Arthur F. Hurst hatte längst aufgegeben. Nach dem Konkurs seiner Firma übernahm er die Vertretung einiger Zulieferfirmen der Autobranche für Baden-Württemberg. Mit dem Geld, das er nun verdiente, stotterte er noch jahrelang jene Schulden ab, die aus Anzahlungen von Invaliden stammten und denen Hurst nie einen Wagen dafür liefern konnte.

KURIOSES SEHENSWERT FOTOS+KARTEN WEIN + BESEN PERSONEN VEREINE
DIVERSES WANDERUNGEN SCHULEN+BÄDER NACHBARORTE ZEITUNGEN KIRCHEN
HOME
ORTSRUNDGANG
VERANSTALTUNGSKALENDER
NEUES
SUCHEN
www.Enslinweb.de  |   www.wirtemberg.de
Feedback an Webmaster Klaus Enslin  |  ©2018  |  info@wirtemberg.de
Google
Web www.wirtemberg.de