Stuttgarter Zeitung, 20.08.1996
Stuttgarts Stadtoberhäupter im
Wandel der Zeit
Emil von Rümelin: Mit einer Denkschrift über "Die
soziale Frage" hatte sich der gebürtige Ulmer (1846) als
Sozialreformer profiliert, stand der SPD nahe und schuf die erste Alters-
und Invaliditätsversorgung für die städtischen Mitarbeiter.
Er gründete das erste städtische Arbeitsamt. Nach nur sechs
Jahren starb er 1899 an Krebs.
Stuttgarts Oberbürgermeister (5): Emil von Rümelin
Arbeitsamt und Städtetag gegründet
Nachdem Oberbürgermeister Friedrich von Hack 1892 aus gesundheitlichen Gründen hatte kapitulieren müssen, trat Emil Rümelin seine Nachfolge an. Am 18. November 1892 war er gewählt, am 9. Januar 1893 vereidigt worden. Als am 24. September 1893 die König-Karls-Brücke über den Neckar eingeweiht wurde, erhielt er vom König den Titel "Oberbürgermeister".
Auch er galt, wie Friedrich von Hack, als hervorragendes Talent der Organisation und der Repräsentation. 1895 gründete er ein städtisches Arbeitsamt, 1896 das Statistische Amt der Stadt, und 1897 half er mit, den Württembergischen Städtetag aus der Taufe zu heben.
In seine Amtszeit fallen die Stadterweiterung,
der Neubau des Schwabtunnels,
des Bürgerhospitals und
der Wilhelmsrealschule,
die Aufhebung des Volksschulgeldes und
die Elektrifizierung der Straßenbahn.
Emil Rümelin - auch er wurde später geadelt - entstammte einer angesehenen altwürttembergischen Familie, die zur sogenannten Ehrbarkeit gehörte: Sein Onkel Gustav Rümelin war Finanzwissenschaftler, Kultusminister und Kanzler der Universität Tübingen. Nach dem Studium wurde Emil Rümelin Beamter, zunächst in Esslingen und Friedrichshafen, später in Münster/Westfalen und Heilbronn. 1889 trat er in die staatliche Steürverwaltung in Stuttgart ein.
Als Oberbürgermeister von Hack 1892 seiner zerrütteten Gesundheit Tribut zollen musste, war Rümelin gerade 46 Jahre alt. Die Volkspartei und die Sozialdemokratische Partei drängten den parteilosen Rümelin, sich um die Nachfolge zu bewerben. Nach einem spannenden und harten Wahlkampf wurde er mit 5410 gegen 4031 Stimmen gewählt.
Rümelin war sozial eingestellt und stand den Sozialdemokraten nahe. Schon 1891, ein Jahr vor seinem Amtsantritt, hatte er eine Denkschrift über "Die Selbstverwaltung in ihrer Bedeutung für die soziale Frage" verfasst. Seiner persönlichen Initiative entsprang die erste, als vorbildlich eingestufte Alters- und Invaliditätsversorgung für städtische Mitarbeiter.
Als der Fortbestand des historisch bedeutsamen Hoppenlaufriedhofs gefährdet war, sorgte er mit für den Erhalt des im 17. Jahrhundert angelegten Gräberfeldes.
Aber auch Emil von Rümelins Gesundheit war angeschlagen: Er hatte Krebs, war längere Zeit arbeitsunfähig und lebte in Baden-Baden. Nach nur sechs Amtsjahren als Oberbürgermeister ist er am 24. März 1899 gestorben, 53 Jahre alt. Die Bürgerschaft empfand seinen Tod als schweren Verlust. Als man seine Urne am 28. März 1899 auf dem Pragfriedhof beisetzte, wurde die Trauerfeier zu "einer der bedeutendsten Kundgebungen, die Stuttgart damals erlebte" - so beschreibt es die Stadtchronik. Diese Trauerfeier habe gezeigt, zu welch hoher Popularität man als Oberhaupt einer Großstadt gelangen könne. Die Trauerrede auf Emil von Rümelin hielt Stadtrat Heinrich Gauß, einer der ersten Ressortbürgermeister im Rathaus. Da ahnten wohl manche schon, dass dieser Heinrich Gauß wenig später neuer Stadtschultheiß und Oberbürgermeister werden würde. tom