Untertürkheim www.wirtemberg.de zu den Favoriten STARTSEITE Rotenberg
HOME
ORTSRUNDGANG
VERANSTALTUNGSKALENDER
NEUES
SUCHEN
KURIOSES SEHENSWERT FOTOS+KARTEN WEIN + BESEN PERSONEN VEREINE
DIVERSES WANDERUNGEN SCHULEN+BÄDER NACHBARORTE ZEITUNGEN KIRCHEN

Stuttgarter Zeitung, 29.08.1996
Stuttgarts Stadtoberhäupter im Wandel der Zeit

Karl Strölin: Dieser stramme Nazi, Jahrgang 1890, übernahm 1933 als OB die Macht im Rathaus. Mehrfach reiste er zu Hitler, um Stuttgart ins rechte Licht zu rücken. So kam es zur "Stadt der Auslandsdeutschen". Als Strölin 1944 von den Gräueltaten an den Juden erfuhr, rückte er von den Nazis ab und übergab Stuttgart im April 1945 kampflos an die Franzosen. Doch Selbstkritik oder Bedauern äußerte Strölin nie. Er starb 1963.

Stuttgarts Oberbürgermeister (8): Karl Strölin

Sich selbst ins Amt gehievt

Strölin StadtarchivDer Oberbürgermeister der Nazizeit hieß Karl Strölin. Bei der Wahl am 16. April 1931 hatte er als Kandidat der Nationalsozialisten mit nur 25.814 Stimmen eine schwere Niederlage gegen den Amtsinhaber Karl Lautenschlager hinnehmen müssen, dem nicht weniger als 115.178 Bürger ihr Vertrauen schenkten.

Doch der stramme Nationalsozialist, 1890 in Berlin geboren und schon seit den zwanziger Jahren für die braune Sache aktiv, blieb unbeirrt. Bei den folgenden Kommunalwahlen zog er in den Gemeinderat ein und wurde Führer der NS-Fraktion. Aus dieser Position heraus setzte er im Frühjahr 1933 den amtierenden und demokratisch gewählten Karl Lautenschlager kurzerhand ab - und sich selbst auf dessen Stuhl.

In seiner 1995 erschienenen Strölin-Biographie schildert der Historiker Walter Nachtmann diesen Nazi-Oberbürgermeister als "pietistisch angehauchten Offizier". Beim Militär war er nicht das geworden, was er hatte werden wollen.

Im Rathaus erwies er sich als versierter Verwaltungsmann, vor allem aber als rücksichtsloser Besserwisser:

Wilhelm Murr Unterstützt von Reichsstatthalter Wilhelm Murr, damals quasi der Ministerpräsident von Württemberg, drängte er nicht nur den Oberbürgermeister aus dem Amt, sondern auch die Sozialdemokraten aus dem Gemeinderat. Binnen weniger Wochen "säuberten" die Nazis die gesamte Stadtverwaltung, indem sie missliebige Gegner auf die Straße setzten, viele von ihnen verfolgten und zugleich 800 Parteigenossen neu bei der Kommune anstellten.

Karl Strölin, als gebildet und intelligent geschildert, war ein überzeugter Nationalsozialist, der sich von den Ideen Hitlers eine bessere Welt versprach. Immer wieder reiste er nach Berlin, um sich und seine Stadt bei Hitler persönlich oder seinem engsten Umfeld ins rechte Licht zu rücken. So erreichte er, dass Stuttgart zur "Stadt der Auslandsdeutschen" wurde - ein Ehrentitel während der NS-Zeit.

Bis 1938 wies Strölins Karriere steil nach oben, danach machte sich der schwärmerische politische Idealist bei den Nazigrößen zusehends unbeliebt. Strölins beflissener Ehrgeiz ging ihnen schlichtweg auf die Nerven. Der wiederum erkannte erst nach und nach ihre verbrecherischen Absichten und ihre tiefen Verstrickungen.

Es war die unmenschliche Verfolgung der Juden, die Strölin schließlich die Augen öffnete. Unstrittig ist, dass er wegen seiner guten Kontakte nach Berlin früher als viele andere erkannte, wie unsinnig der Krieg war und dass er nicht zu gewinnen sein würde. Unstrittig sind auch seine Kontakte zum Leipziger Oberbürgermeister Carl Gördeler, einer zentralen Figur des Widerstandes und des Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944.

So widersprüchlich Strölins Rolle vor und während des Dritten Reiches auch gewesen sein mag: Im April 1945 setzte er sich dafür ein, das schwer zerstörte Stuttgart nicht noch weiter zu schinden. Kampflos wurde die Stadt im Degerlocher Gasthaus Ritter an die Franzosen übergeben.

Als Strölin einsehen musste, dass er nicht im Amt zu halten war, schlug er den Franzosen vor, den parteilosen und unbelasteten Arnulf Klett an die Rathausspitze zu setzen. -

In der ersten Nachkriegszeit fiel Karl Strölin in sein altes Denken zurück. Er wollte sich mit der entsetzlichen Bilanz des "Tausendjährigen Reiches" nicht abfinden. Seiner Meinung nach hatten Hitler und seine Schergen eine an sich gute und richtige politische Idee "nur" verraten. In der Entnazifizierung wurde Strölin als "minder belastet" eingestuft. Jahrelang kämpfte er beharrlich um seine Pensionsbezüge. Über seine Lippen kam kein einziges Wort der Selbstkritik oder des Bedauerns.

Als er am 21. Januar 1963 starb, standen an seinem Grab auf dem Waldfriedhof die Vertreter des Kyffhäuserbundes sowie anderer Soldatenverbände. Ein Offizier der Bundeswehr trug das Ordenskissen. tom

Stuttgarter Zeitung, 06.05.1995

Karl Strölin - Stuttgarts Oberbürgermeister von 1933 bis 1945

Eine wichtige Biographie - erst 50 Jahre danach

Strölin StadtarchivDer Historiker Walter Nachtmann und der Verleger Titus Häussermann sind zu loben: Nachtmann, weil er sich in seiner Doktorarbeit mit der umstrittensten Figur der Nazizeit in Stuttgart beschäftigt hat, nämlich mit Karl Strölin, und Häussermann, weil er in seinem rührigen Tübinger Silberburg-Verlag gerade jetzt diese fast 500 Seiten dicke Biographie herausgegeben hat. Nicht von ungefähr kommt sie (Preis 39,80 Mark) am Montag in die hiesigen Buchhandlungen. Es ist der 8. Mai 1995.

So liegt jetzt, 50 Jahre nach Kriegsende, endlich die längst fällige, fundierte Auseinandersetzung mit dem Stuttgarter Oberbürgermeister der Nazizeit vor. Und um es gleich vorweg zu nehmen: Walter Nachtmann schafft mehr Klarheit, als bisher war. Er schildert den 1890 geborenen Sohn eines Generals als "pietistisch angehauchten Offizier", der schon in den zwanziger Jahren die Ideologie der Nationalsozialisten strikt vertritt.

Zwar muss er bei den OB-Wahlen 1930 als Kandidat der NSDAP eine herbe Niederlage gegen den angesehenen Amtsinhaber Karl Lautenschlager hinnehmen, zieht jedoch in den Gemeinderat ein und wird Führer der NS-Fraktion. Nur Wochen nach der Machtübernahme wird Strölin im März 1933 als Oberbürgermeister eingesetzt, verdrängt Lautenschlager und holt 800 Parteimitglieder ins Rathaus. Als versierter Verwaltungsfachmann steigt seine Karriere bis 1938 steil an - um danach abzufallen.

Kein Zweifel, der gebildete und intelligente Karl Strölin erkannte schon Anfang der vierziger Jahre die tiefen Verstrickungen der Nazis, war früh davon überzeugt, dass der Krieg nicht zu gewinnen sei und besaß persönliche Kontakte zum Widerstand des 20. Juli 1944, insbesondere zum Leipziger Oberbürgermeister Carl Gördeler. Unstrittig ist, dass er im April 1945 die Stadt kampflos übergab und so noch Schlimmeres verhinderte. Wahr ist auch: Karl Strölin schlug den damals 40jährigen, unbelasteten Anwalt Arnulf Klett als neuen Oberbürgermeister vor.

1952 Gleichwohl, die seit vielen Jahren strittige und zentrale Frage dieses vielschichtigen Lebenslaufes "War Karl Strölin ein Widerstandskämpfer?" beantwortet Walter Nachtmann eindeutig: "Strölin war überzeugter Nationalsozialist. Er verteidigte diese Ideen - selbst nach 1945. Nach seiner Ansicht hatten Hitler und seine Schergen den Nationalsozialismus nur verraten. Seine Rolle im Widerstand bleibt undeutlich. Zwar gab es nach dem 20. Juli 1944 bei ihm eine Hausdurchsuchung - jedoch ohne persönliche Folgen. Später wurde er als minderbelastet eingestuft."
Wichtig zu wissen: Anfang der fünfziger Jahre erstritt Strölin von der Stadt Stuttgart eine Pension. Am 21. Januar 1963 ist er gestorben. An seinem Grab auf dem Waldfriedhof sprachen Vertreter des Kyffhäuserbundes und anderer Soldatenverbände. Ein Bundeswehr-Offizier trug das Ordenskissen.

Durch Walter Nachtmanns über Jahre sorgfältig erarbeitete Biographie wird die Person Strölin deutlicher sichtbar: Ein ehrgeiziger, preußisch geprägter Offizier, der 1920 seinen Abschied nehmen muss und dies als Schmach empfindet; ein Gebildeter, der sich in seiner Doktorarbeit mit der Lage der Arbeiter und des Mittelstandes vor und nach dem Ersten Weltkrieg befasst; ein Schreibtischtäter, der sich, mit einer Elsässerin befreundet, für diesen und jenen Verfolgten einsetzt; ein Opportunist, der internationale Kontakte pflegt und versucht, die Judenverfolgung zu verdrängen, sich herauszuhalten; ein Mann, der nach dem Krieg kein Wort der Entschuldigung gegenüber den Opfern findet.

Mit dieser Biographie hat Walter Nachtmann, Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre bekannt geworden durch seine Mitarbeit am "Projekt Zeitgeschichte", ein wichtiges Kapital der Historie dieser Stadt geliefert. Dabei ist seine Arbeit keineswegs eine kalte Abrechnung mit einem Unbelehrbaren. Vielmehr schildert er eindrucksvoll den Lebenslauf eines Mitverantwortlichen, einen Menschen voller Widersprüche in schwieriger Zeit. Ein wichtiges Buch.

Thomas Borgmann

Stuttgarts Stadtoberhäupter im Wandel der Zeit

KURIOSES SEHENSWERT FOTOS+KARTEN WEIN + BESEN PERSONEN VEREINE
DIVERSES WANDERUNGEN SCHULEN+BÄDER NACHBARORTE ZEITUNGEN KIRCHEN
HOME
ORTSRUNDGANG
VERANSTALTUNGSKALENDER
NEUES
SUCHEN
www.Enslinweb.de  |   www.wirtemberg.de
Feedback an Webmaster Klaus Enslin  |  ©2018  |  info@wirtemberg.de
Google
Web www.wirtemberg.de