aus City extra Nr. 6 vom 1.4.2009
Stuttgart war die Heimat von berühmten
Marken -
Aber seit 1985 ist der Kakaoduft verzogen
Man glaubt es heute kaum noch: Stuttgart war einst ein Zentrum der
Schokolade-Herstellung. Hier entstanden süße Produkte
mit klangvollen Namen für Leckermäuler auf der ganzen Welt.
Von Ulrich Gohl
Wer
hat es erfunden? Genau, ein Schweizer. Ihm geling es 1848, Kakao,
den man bis dahin vornehmlichals Trinkschokolade ge-schlürft
hatte, so aufzubereiten, dass man ihn in Tafeln gießen konnte.
Den Anfang für eine derartige Produktion hier machten die
Chocolatiers Franz und Gustav Waldbaur. Sie gründeten
in jenem Jahr 1848 eine Manufaktur im Stuttgarter Westen - vor
dem Calwer Thor, wie es damals hieß - genauer gesagt: in
der Rotebühlstraße 83 bis 85. Ihre Kreationen fanden
Anklang. Den Standort ließen die Besitzer immer wieder ausbauen.
Der heute noch bestehende repräsentative Bau mit dem großen
Firmenwappen an der Fassade entstand 1889. 1910 waren es rund 150
Beschäftigte, die hier die Leckereien herstellten. 1960 standen
etwa 500 Menschen bei Waldbaur in Lohn und Brot und stellten beispielsweise
die legendären Katzen-zungen her. Weltweite Überkapazitäten
brachten die Branche während der 1970er-Jahre in Bedrängnis.
1976 kaufte die Kölner Schokoladenfabrik Stollwerck die Waldbaur-Markenrechte
und stellte ein Jahr später die Produktion in Stuttgart ein.
Doch
zurück in die Blütezeiten: 1857 eröffnete der Konditor Ernst
Staengel d. Ä. eine Schokoladenwerkstatt im Stuttgarter
Süden im Furtbachweg 8. Die Kundschaft riss ihm seine Süßwaren
aus den Händen. Schon drei Jahre später musste sein Betrieb
in größere Räume in die Olgastraße 75 bis 77
umziehen. 1899 kam die Produktion dann nach Untertürkheim, Augsburger
Straße 275 bis 277. Ein Kompagnon von Staengel war Karl Ziller,
und so hieß die Firma Staengel & Ziller, abgekürzt
SZ, ausgesprochen als Eszet.
1904 wurde dieses Kunstwort als Warenzeichen eingetragen. 1933 erfanden
Eszet-Mitarbeiter die Eszet-Schnitte, die dünne Schokoladenscheibe
als Brotauflage. 1975 wurde die Produktion eingestellt. Stollwerck
kaufte auch diese Namensrechte und stellt bis heute Eszet-Schnitten
und -Streusel her.
Am
weitesten zurück reichen die Wurzeln der Schokoladenfabrik Moser-Roth. 1846
gründete der in edlen französischen Betrieben ausgebildete
Eduard Otto Moser in der Tübinger Straße 13 eine
Konditorei mit kleiner Konfektherstellung, die er 1858 in die
Calwer Straße 35 verlegte und zu einer Fabrik erweiterte.
Seine Produkte verwöhnten die besonders feinen Zungen;
Moser wurde königlicher Hoflieferant und galt als Top-Adresse
der Branche. 1894, wenige Jahre nach Mosers Tod, fusionierte
die Firma mit dem 1841 in der Kronenstraße gegründeten
Konkurrenten Wilhelm Roth jr. zu den „Vereinigten Schokoladen-
und Bonbonfabriken Moser-Roth GmbH". Bald war dies einer der
größten Betriebe seiner Art in Deutschland. 1910
arbeiteten rund 550 Menschen in dem Werk an der Heilbronner
Straße. Es fiel 1944 dem Bombenkrieg zum Opfer.
Der
Kaufmann Karl Haller hat von 1921 an in der
Charlottenstraße 24 Schokolade produziert und den Betrieb
später in größere Räume nach Obertürkheim
in die Augsburger Straße 554, verlegt. 1948 kaufte er Moser-Roth
auf und führte das Unternehmen zu neuer Blüte. Haller
gehörte in den 1950er-Jah-ren zu den ersten Firmen, die
im Radio Werbespots ausstrahlten. Diese wurden sehr populär
(„Es muss ein Stück Haller sein..."). Nach Hallers
Tod 1958 wurde die Firma verkauft, die neuen Eigner stellten
1967 die Produktion ein. Die Markenrechte kamen an den Storck-Konzern,
der unter dem Namen Moser-Roth seit Mitte 2007 für Aldi
gehobene Schokoladenprodukte herstellt.
Auch
die Schokoladenfabrik Ritter stammt ursprünglich
aus Stuttgart. Der Konditor Alfred Ritter gründete sie mit seiner
Frau Clara, geb. Göttle, 1912 in der Inneren Moltkestraße
in Cannstatt. Schon 1919 zog der erfolgreiche Betrieb in die Wilhelmstraße
16 um, ehe er Stuttgart 1930 in Richtung Waldenbuch verließ.
Dort erfand Clara Ritter 1932 die quadratische Tafel.

Endlich sei die Schokoladenfabrik im Stuttgarter Osten in der Ostendstraße
88 erwähnt. Julius Wernick rief sie 1923/24 ins Leben, 1929
hieß sie „Neckargold", wenig später dann „Schoko-Buck".
Ihr bekanntestes Produkt war eine bittere, koffeinhaltige, runde
Schokolade, die in einer Metalldose verkauft wurde. 1956 kaufte die
Schweizer Chocolat Tobler das Werk und modernisierte
es. Um 1980 waren es fast 500 Mitarbeiter, die unter anderem die
berühmte Toblerone herstellten. Doch im Jahre 1985 waberte letztmals
schwerer Kakaoduft durch eine Stuttgarter Straße: Tobler wurde
als letzte Schokoladenfabrik der Stadt stillgelegt.